Ein Zuwachs von Kleinstrukturen hat auch immer
einen Artenzuwachs zur Folge und umgekehrt.
Die Eberstedter Flur (Projektgebiet) hatte 1945
über 140 km Grenzlinien-Saumbiotope, zumeist Feldraine
auf ca. 400ha Gesamtfläche. Diese Feldraine ergaben
sich aus den über 300 einzelnen Feldparzellen, auf
denen jeweils meist eine andere Feldfrucht als auf
dem Nachbarfeld angebaut wurde. Die alten Jäger
berichteten aus dieser Zeit von einer unvorstellbaren
Zahl an Hasen und Rebhühnern, sowie allem anderen
Getier.
Eberstedt
1945
Wie in allen Gebieten Deutschlands fand nach dem
2. Weltkrieg auch in meiner Heimatgemeinde eine
radikale Veränderung der Landschaft statt, um den
zunehmenden Nahrungsbedarf der Flüchtlingsscharen
und den Reparationshunger der "Russen"
zu decken.
Speziell durch die Flurbereinigung - das Entfernen
von Bewirtschaftungshindernissen und die Flächenzusammenlegung
zu extremen Schlaggrößen zur Produktionssteigerung
- wurde diese Landschaftsveränderung erreicht.
Eberstedt
1980
35 Jahre nach der ersten Aufnahme wies die Eberstedter
Flur 1980 nur noch 12 km Grenzlinien-Saumbiotope
(meist Wegränder) auf 400ha auf. Es gab nur noch
8 Großschläge. Außerdem wurde jeder zweite Feldweg
unter den Pflug genommen. Über 90% der Kleinstrukturen
verschwanden.
Wissenschaftler haben ermittelt, dass in den letzten
60 Jahren von den ehemals vorkommenden Tier- und
Pflanzenarten in der Feldflur 60 % verschwunden
sind.
Von den heute noch vorhandenen Arten sind weitere
50% auf der Roten Liste der bedrohten Tier- und
Pflanzenarten zu finden. Speziell bei Insekten-
und Pflanzenarten sind die Zahlen noch gravierender.
Der Wiedehopf war noch vor 60 Jahren in Thüringen
keine Seltenheit.
Heute ist er hier ausgestorben.
Der Artenrückgang in der Feldflur steht nach Ansicht
vieler Experten u. a. im direkten Zusammenhang mit
dem Verschwinden von 90% der dort ehemals vorhandenen
Kleinstrukturen (Feuchtflächen, Hecken, Streuobstwiesen,
Magerwiesen, Feldraine)
Das Rebhuhn ist ein Bioindikator der Feldflur,
der empfindlich auf den Wegfall dieser Kleinstrukturen
reagiert. Es ist heute, im Gegensatz zur Nachkriegszeit,
ein seltener Anblick in unserer Flur.
Die forstliche Forschungsanstalt Eberswald führt,
auch im Projektgebiet, seit langem ein Untersuchungsprogramm
durch und kommt für den Bestand des Rebhuhns zu
diesem Ergebnis:
Für Rebhühner besteht übrigens seit 20 Jahren
ein freiwilliger Bejagungsverzicht der Thüringer
Jägerschaft , so dass die Bejagung als Ursache des
Bestandsrückgangs ausgeschlossen werden kann.
Heute weist das Projektgebiet zumindest an den
Hauptwegen eine vernetzte Biotopstruktur in Form
von Hecken und Feldgehölzen auf. Dieses Biotopminimum
verhindert u. a. die Isolation von Populationen
und sichert so zumindest durch genetischen Austausch
das Überleben von Tierarten der Rote-Liste.